Klubschule Migros Homepage / Internet Einführungskurs / 2.4 Chancen und Gefahren
Das Internet ist zur Zeit in einer sehr stürmischen Entwicklung. 15% Zuwachs
pro Monat (!) ist ein unglaublicher Boom. Das Internet ist
in aller Munde und immer mehr Leute tummeln sich im Netz.
Im Verlauf des Jahres 1995 war das Internet verschiedentlich in den
(anderen) Medien ein Thema - mit euphorischen Trend-Stories ebenso wie
mit Warungen und Ängsten.
Es gibt viel zu spekulieren, welchen Einfluss das Internet auf die
Zukunft haben wird oder bereits hat. Es ist jedoch Tatsache, das
mit dem Internet ein neues Medium den Durchbruch geschafft hat, das
sich in einigen wichtigen Punkten von den anderen Medien
deutlich unterscheidet:
- Das Internet ist das erste Massenmedium, bei dem das Veröffentlichen
nur unwesentlich teurer ist als das Konsumieren von Informationen.
Bei TV, Radio, Presse kostet es um viele Grössenordungen mehr, etwas
zu verbreiten. Beim Internet kostet die Möglichkeit, selber WWW-Seiten
(im Umfang eines Buches mit einigen 100 Seiten) zu publizieren, gerade
etwa soviel, wie der Internet-Anschluss selber kostet (ca. Fr. 40.-/Monat).
- Die Informationen auf dem Internet sind sehr schwierig zu
kontrollieren, d.h. auch schwierig zu zensurieren bzw. zu unterdrücken.
Einerseits ist es technisch sehr aufwendig (und bei verschlüsselten Daten
u.U. unmöglich), die Daten auszusortieren und abzuhören. Andererseits
ist es auch schwierig, aus irgend einem inhaltlichen Grund
Verbindungen zu unterbrechen, weil die Netz-Infrastruktur vielen
Parteien "gehört" und die Meisten kommerzielles Interesse haben,
dass keine Unterbrüche vorkommen.
- Mit dem Aufkommen des WWW ist das Internet zu einem wirklich
vernetzten Informationspool geworden. Durch das
Hypertext-Konzept des WWW
werden Querbezüge zwischen unterschiedlichsten Quellen zu einem
wichtigen Strukturierungsmittel. Im Prinzip gab es das schon immer,
aber bisher war das Erforschen von Querbezügen
(z.B. Literaturangaben in Büchern) immer eine sehr mühsame Arbeit;
die hierarchische Ordnung war effizienter. Mit Hypertext im WWW
sind Querbezüge ebenso bequem wie hierarchische Ordungen (z.B. Inhalts-
Verzeichnisse), was dazu führt, dass vernetzte Ordnungsstrukturen
möglich werden.
- Punkt 1 oben bietet eine ganz grosse Chance. Alle
anderen Massenmedien können eine Information nur dann publizieren,
wenn sich eine genügend grosse Anzahl Leute dafür interessiert,
damit sich die Publikation (z.B. durch Werbung) finanzieren lässt.
Das behindert die Verbreitung ungewohnter, innovativer und kritischer
Ideen sehr, weil für sie kein Massenpublikum existiert.
Mit dem WWW kehrt sich die Situation um, denn dort suchen die
Konsumenten und Konsumentinnen aktiv (z.B. mit Stichworten) nach
dem, wofür sie sich interessieren. Das WWW ist deshalb eine
grosse Chance z.B. für Gedankengut, wofür sich (noch) relativ wenige
Leute interessieren, diese aber aktiv nach Informationen suchen.
Das kann in der Forschung (in den klassischen Wissenschaften
wie auch in anderen Bereichen, wo Neuland betreten wird) sehr
fruchtbar sein. Gelesen wird das, wofür sich wirklich andere Leute
interessieren.
Das gilt auch für Werbung im obigen Sinn, nämlich Angebote von
(Nischen-)Produkten, für die die Leute wirklich Bedarf haben.
Für Streu-Werbung, deren Hauptziel nur noch der Kampf um
Marktanteile ist, ist das WWW hingegen wenig geeignet, bzw. kostet die
Werbung wieder die üblichen (Un-)Summen, weil sie auf stark besuchten Orten
im Netz plaziert werden muss (z.B.
bei WWW-Katalogen). Und diese
Orte verkaufen ihre Werbefläche nur für teures Geld.
Zusammenfassend kann man sagen: Im Internet verbreitet sich diejenige
Information, die primär für ihre Konsumenten und Konsumentinnen
Sinn macht (und nicht für die Besitzer des Mediums).
- Das Vernetzen von Informationen (siehe Punkt 2 oben) öffnet
neue Dimensionen, Zusammenhänge zu erkennen. Das ist in einer
Welt, wo das Spezialwissen bald unermesslich ist, jedoch
die fachübergreifende Kommunikation immer schwieriger wird,
ein wichtiger Punkt. Dazu braucht es allerdings die
Bereitschaft, die Vernetzung auch wirklich zu fördern und
in eigenen Publikationen auf Andere aktiv zu verweisen. Das setzt
Kritikfähigkeit voraus, denn wenn jemand im WWW
per Mausklick zwei, drei Überlegungen zu einem Thema vergleichen
kann, treten Schwachstellen schneller zu Tage. Das regt zu hoher
Qualität an, aber auch zu Konkurrenzdruck für die, welche sich
ungern kritisieren lassen.
- Mit der Tatsache, dass jede und jeder im Internet seine oder ihre
noch so verquere Meinung veröffentlichen kann, ist es oft schwierig, die
Relevanz einer Information zu beurteilen. Besonders in den Newsgroup
gibt es viele Pseudo-Experten, die vielleicht absoluten Blödsinn als
Fakten anbieten. Als reiner Konsument kann man sich so sehr
in die Irre führen lassen. Eine wirkliche Gefahr ist dieser Punkt
allerdings nur für diejenigen, die hinter Geschriebenem automatisch
Kompetenz vermuten. Anstatt an die Autorität des Geschriebenen
naiv zu glauben, muss im Internet aktiv kommuniziert werden: Nehmen
Sie an einer Diskussion teil (lesen sie allerdings vorher
die Netiquette!),
stellen Sie Fragen, kontaktieren Sie
den Autor oder die Autorin - in keinem anderen Medium ist das so einfach wie im
Internet. Aus den Reaktionen merken Sie meistens schnell, wie ernst Sie die
Information nehmen können.
- Verantwortungsloser Umgang mit dem Medium. Wie schon im Abschnitt
über die Netiquette erwähnt,
gibt es leider Leute, die ihre Verantwortung nicht wahrnehmen, und
bösartiges, beleidigendes und menschenverachtendes Material veröffentlichen.
Zum Beispiel gibt es eine ganze Anzahl Newsgroups, wo teilweise harte
Pornografie "verbreitet" wird. Das hat auch entsprechenden Wirbel
in den Medien verursacht, und die Frage nach Zensur aufgeworfen.
Es ist zweifellos problematisch, wenn derartiges Material allzu
verfügbar ist; Zensur dürfte aber keine Lösung sein und (s. Punkt 3)
auch schwer zu verwirklichen sein.
Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, das Internet nicht
nur als Tummelplatz für Informationssüchtige oder Schlachtfeld für
Egomanen zu propagieren, sondern - wie in allen Bereichen - zu realisieren,
dass mit mächtigen Möglichkeiten (globale Kommunikation) auch eine
grosse Verantwortung verbunden ist. Es ist nicht dasselbe ob ein
Artikel im lokalen Käseblatt erscheint, oder auf der ganzen Welt!
Im nächsten (und letzten) Kapitel dieser Einführung befassen wir
uns zum Abschluss mit den Methoden zur Recherche im Internet, also der
Frage: "Wie komme ich zu meiner Information im Internet?"
© 1995,1996, echo.ch & Internet Café Klubschule Migros Aargau/Solothurn
Autor: Lukas Zeller (email: luz@zep.ch)
Der Autor freut sich über Anregungen und Kommentare zu dieser Internet-Einführung!
Letzte Änderung: Sonntag, 14. Januar 1996, Lukas Zeller
URL: http://www.echo.ch/edu/klubschuleag/kurs7.htm